Von 26.11.2024 bis 3.4.2025 war Marika Gruber, Migrationsexpertin der FH Kärnten und Mitglied der Stv. Wissenschaftlichen Leitung am Alternsforschungszentrum IARA, als Visiting Researcher bei der Europäischen Akademie EURAC Research in Italien, Bozen. Im Interview spricht sie über ihren Forschungsaufenthalt an diesem renommierten privaten Zentrum für angewandte Forschung.
EURAC Research wurde 1992 mit zunächst 12 Mitarbeitenden und 3 Forschungsfeldern ins Leben gerufen und besteht mittlerweile aus 11 Instituten und 7 Zentren mit über 600 Forschenden aus 46 Nationen.
Das Gespräch mit Marika
Wir haben Marika im Interview am 10.03.2025 gefragt, welche Ziele sie nach Bozen geführt haben und welche Erfahrungen sie vor Ort machen konnte, und danken auch Verena Wisthaler, Leiterin des EURAC „Center for Migration and Societal Change“, sowie Günther Rautz, Leiter des EURAC „Institute for Minority Rights“, für ihre zwei Stellungnahmen zum Gespräch (siehe graue Boxen) und die freundliche Aufnahme.
Warum hast Du Dich für einen Forschungsaufenthalt bei EURAC Research entschieden?
Beweggründe
Ziele
Ich hatte schon länger vor, einen Forschungsaufenthalt an einer anderen Hochschule oder Forschungseinrichtung zu machen, die im Bereich Migration tätig ist. Mit EURAC gibt es schon viele Verbindungen. Wir hatten ursprünglich im Projekt MATILDE zusammengearbeitet, im Moment arbeiten wir im Projekt SERIGO zusammen. Bei einer Konferenz habe ich dann Verena Wisthaler kennengelernt, die Leiterin des bei EURAC vor einem Jahr neu gegründeten Forschungszentrums „Center for Migration and Societal Change“. Das hat mich gleich interessiert, da es viele Anknüpfungspunkte gibt, durchaus auch ähnliche Projekte oder Zugänge in der Forschung, z.B. im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit regionalen Stakeholder*innen und Ähnliches. Daher hab ich dann Kontakt mit Frau Wisthaler aufgenommen und gleich ihre Zusage erhalten.
Worin besteht Deine Tätigkeit als Visiting Researcher in Bozen?
Vernetzung
Kooperationen
Einblicke
Impulse
Häufig ist es so, dass Visiting Researcher nur 1-2 Wochen bleiben. Ich wollte bewusst einen etwas längeren Zeitraum bei der Institution verbringen, um die Forschungskultur und Institution wirklich kennenzulernen und stärker involviert zu sein. Wir haben schon im Vorfeld meine Tätigkeiten besprochen. Wichtig war uns beiderseits, uns über bestehende Projekte auszutauschen und auch künftige Kooperationsfelder zu definieren. Mein Ziel war es auch, Impulse für meine Arbeit zu erhalten, zu sehen, welche Tätigkeiten und Projekte am Zentrum gemacht werden, kennenzulernen, wie das Forschungszentrum geführt wird, wie es strukturiert ist. Es wird auch interdisziplinär gearbeitet, ähnlich wie bei uns an der FH Kärnten. Ich vernetze mich auch mit Personen an anderen Instituten und Zentren bei EURAC, die in ähnlichen thematischen Feldern arbeiten wie ich. Es gibt großes Interesse an Kooperation und Ideenaustausch, auch zu meiner Forschung und dazu, was wir an der FH Kärnten machen. Ich habe schon eine ganze Liste an Themen und Möglichkeiten notiert und besprochen. Da sind Themen dabei wie zum Beispiel Partizipatives Forschen. Ich nütze die Zeit auch dazu, mit anderen Stakeholder*innen, die in Bozen ihre Einrichtungen haben, sei es die Caritas oder die Universität Bozen, Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und in Austausch zu treten.
Kannst Du uns ein paar konkrete Beispiele nennen, wie Du involviert bist?
Tätigkeiten
Mitarbeit
Aktuell arbeiten wir an einem gemeinsamen Forschungsantrag im Bereich Migration. Möchte auch erwähnen, dass ich an einer Gastlehrveranstaltung der Uni Innsbruck im Bereich Politikwissenschaft mitgewirkt habe, die von Verena Wisthaler geleitet wird. Wir planen auch, bis Ende März einen Weiterbildungsworkshop für die Integrationsbeauftragten in Südtirol durchzuführen, wo ich von meiner Arbeit in Kärnten erzählen werde, und einen internen Workshop zu organisieren, wo ich meine Tätigkeitsbereiche und Forschungsfelder für die Kolleg*innen des Zentrums vorstellen werde. Ich bin auch in die Arbeitsgruppe für Genderfragen hier bei EURAC eingestiegen, die sehr interessant ist. Es gibt sehr viele Überschneidungspunkte mit unseren Forschungsprojekten.
Stellungnahme
Verena Wisthaler, Leiterin des EURAC-Forschungszentrums „Center for Migration and Societal Change / Zentrum für Migration und gesellschaftlichen Wandel“
„Speziell der Bereich meiner angewandten Forschung und der Austausch mit Praktiker*innen ist auch für die Südtiroler*innen sehr spannend. Mehr über die Kärntner Realität im Bereich Migration zu erfahren, hilft auch bei der eigenen Suche nach Ansätzen und Strategien im Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund. Und die Kärntner Realität ist jener in Südtiroler ja sehr ähnlich, was den Austausch erleichtert.“
Welche Forschungsbereiche sind für Dich von besonderem Interesse?
Kerninteressen
Forschung
Meine Hauptforschungsfelder. Ich bin Migrationsforscherin mit einem Hintergrund in Verwaltungswissenschaften und Interventionsforschung. Das heißt, die Anbindung der Migrationsforschung an den Governance- und Policy-Bereich sind für mich wesentliche Forschungsthemen, die ich bearbeite. Aber auch die partizipative Forschung, der ländliche Raum im Zusammenhang mit Migration und Bevölkerungsentwicklung zählen zu meinen Forschungsschwerpunkten, wie gesagt immer in Verbindung mit der Verwaltungs- und Policy-Ebene.
Gibt es Erfahrungen oder Kontakte, die für Deine Arbeit im IARA-Team wertvoll sind?
IARA-Themen
Alternsforschung
Strukturen
Es sind alle Kontakte auch für IARA sehr wertvoll. Zum Beispiel der Austausch mit dem Regionalmanagement LAG Pustertal hat gezeigt, dass viele Themen und Projekte, die es in Kärnten gibt, auch für Südtirol interessant sind und umgekehrt. Es gibt in sehr vielen Bereichen ähnlichen Handlungsbedarf. Auch in dem erwähnten Forschungsantrag, den wir im Bereich Migration entwickeln und einreichen möchten, gibt es durchaus Überschneidungen zu IARA. Es ist noch zu früh, Details zu nennen. Auf jeden Fall bestand in meinen Gesprächen sehr viel Interesse an der partizipativen Forschung und Citizen Science im IARA sowie an IARA-Projekten und Themen wie z. B. zum ehrenamtlichen Engagement im Alter, zur Bevölkerungsentwicklung oder zu Toolboxes im Bereich der partizipativen Forschung.
Das IARA ließe sich hier am besten mit einem Institut vergleichen – die Arbeitsweise, auch interdisziplinär, ist hier an Instituten sehr ähnlich. Was am IARA spezifisch ist, ist die dreigeteilte, interdisziplinäre Führung.
Was nimmst Du von Deinem Aufenthalt mit? Was war für Dich besonders interessant?
Highlights
Erfahrungen
Was besonders interessant war, ist die Einbettung aller Themen in das zweisprachige Gebiet und generell diese Sprachenvielfalt bei EURAC. Zum Beispiel bin ich hier in einem Büro, wo als Muttersprachen Spanisch, Italienisch, Englisch/Schottisch und Deutsch gesprochen werden. Da wird dann wirklich klar, was Mehrsprachigkeit und interkulturelles Teamwork bedeuten. Es war mir sehr wichtig, wirklich die Region selber zu erfahren, wie mit dem Thema der Mehrsprachigkeit umgegangen wird, in diesem ganz spezifischen regionalen Kontext und vor dem historischen Hintergrund. Diese alltägliche und natürliche Mehrsprachigkeit fehlt in Kärnten, wenn ich an das Slowenische als zweite Landessprache denke. Das bestätigt auch der Leiter des Instituts für Minderheitenrecht an der EURAC:
Stellungnahme
Günther Rautz, Leiter des EURAC „Institute for Minority Rights / Instituts für Minderheitenrecht“ (selbst gebürtiger Kärntner)
„Kärnten hat leider die große Chance vergeben, dass das Slowenische eine gesellschaftliche Anerkennung wie beispielsweise das Ladinische in Südtirol erfahren hätte. Jede weitere Sprache ist ein Mehrwert und Standortvorteil für eine Region. In Kärnten ist dagegen die Ur-Angst vor dem Slowenischen immer noch präsent. Aber Angst war und ist ein schlechter Ratgeber“.
Spannend ist die Region hier auch, da sehr viel im Bereich Forschungsentwicklung passiert. Die Region ist ein wichtiger Financier und Impulsgeber für Forschung und Weiterentwicklung. Es gibt eigene Calls, die von der Region oder Provinz finanziert werden.
Natürlich habe ich als Visiting Researcher hier sehr, sehr viele Leute kennengelernt oder auch wiedergetroffen. Diese Verbindungen zu vertiefen und der persönliche Austausch waren für mich sehr wesentlich. Und auch der Einblick in die Gründung neuer Zentren mit eigenen Schwerpunkten – das nehme ich persönlich als Impuls mit. Ich bin sehr froh, dass ich mich für den Forschungsaufenthalt bei EURAC entschieden habe und sehr dankbar für alle Begegnungen und Erfahrungen.
Danke für das Gespräch!
Marika Gruber mit dem Team des „Center for Migration and Societal Change“, EURAC Research, Bozen/Bolzano, April 2025
Foto: Annelie Bortolotti, EURAC Research