Informelle Pflege | Pflegeplattform |
ONLINE-Dokumentation
Das IARA-Forschungskolloquium am Mi, 16.03.2022, widmete sich der Vorstellung des HEROES-Projektes und einem Ländervergleich zur Erwerbstätigkeit, Freiwilligenarbeit und Gesundheit im Alter in Österreich, Rumänien und der Schweiz. Es fanden zwei Vorträge mit anschließender Diskussion statt, über deren wesentliche Inhalte wir Sie hier gerne informieren möchten.
Vortrag 1
Projekt HEROES: Informelle Pflegeplattform neu gedacht?
Einleitend wies Johannes Oberzaucher darauf hin, dass über 80% der Pflegeleistungen zuhause erfolgen, davon 45% ausschließlich durch Angehörige, vorwiegend durch Frauen. Das bedeutet, dass der Bedarf nach informeller Pflege und Unterstützung von außen für basale Pflege zuhause als hoch angenommen werden kann.
Das Projekt HEROES setzt genau bei diesem Thema der informellen Pflege und Vernetzung zwischen Personen in diesem Bereich an. Ziel ist es, technologieunterstützt eine Plattform zu schaffen, mit deren Hilfe pflegesuchende Menschen und Angehörige (im Projekt „Recruiter“ genannt) leicht und rasch mit passenden Personen, die Unterstützungsleistungen verschiedener Art anbieten („Candidates“) in Kontakt kommen können.
Das erfolgreiche Zusammenführen beider Seiten wird dabei nicht nur durch geeignete Parameter und Algorithmen bestimmt (1. Schritt), sondern zusätzlich bewerten als „menschliche Schnittstelle“ sogenannte „Reviewer“ die Bewerber:innen in einem detaillierten Bewertungsprozess (2. Schritt).
Als Reviewer arbeiten stets Teams von zwei Personen – ein:e Senior:in und ein:e Expert:in aus einem Gesundheits- und Pflegeberuf. Die Erfahrung von Pflegekräften und Senior:innen wird so mit den Vorteilen digitaler Technologien kombiniert.
Erst nach der expliziten, positiven Bewertung des Reviewer-Teams wird die passende Auswahl an die pflegesuchende Person übermittelt. Damit ist die Aufgabe der Pflegeplattform erfüllt, Recruiter und Candidate treten daraufhin bilateral in direkten Kontakt und nehmen auch die genaue Vereinbarung zu Leistung und finanzieller Abgeltung persönlich miteinander vor.
Das Alternsforschungszentrum IARA ist im HEROES-Projekt maßgeblich für die technologische Entwicklung der neuen Pflegeplattform-APP verantwortlich. Dabei erforscht ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Sozialwissenschaft, Psychologie, Pflege, Informatik, Medizintechnik und Wirtschaft Schritt für Schritt und unter Beteiligung betroffener Menschen die Bedürfnislagen und die Umsetzungsmöglichkeiten für eine geeignete APP-Lösung. Unter anderem finden „Co-Creation Workshops“ statt, werden archetypische Benutzer:innen definiert, die technologischen Lösungen stetig angepasst und verbessert, sicherheitsrelevante Faktoren berücksichtigt und die erste Feldtestphase geplant. Auf dieser Basis werden dann die Weiterentwicklung der Pflegeplattform sowie die Erarbeitung tragender Geschäftsmodelle erfolgen.
Ziel von HEROES ist es letztlich, dass der stetig steigende Pflegebedarf mit Hilfe der Plattform möglichst lokal, schnell, zuverlässig und kosteneffizient gedeckt werden kann.
Vortrag 2
Erwerbstätigkeit und Freiwilligenarbeit im Alter – Ein Vergleich der Pensionssysteme und des Gesundheitsstatus der Bevölkerung in Österreich, Rumänien und der Schweiz
Im HEROES-Projekt ist ein wichtiger Aspekt der, dass Senior:innen als Reviewer beschäftigt werden und die Vertrauenswürdigkeit der Candidates aus ihrer Erfahrung heraus mitbeurteilen. Das bedeutet, Pensionist:innen selbst spielen eine zentrale Rolle bei der Rekrutierung der Pflegekräfte. Daher sind die persönliche, wirtschaftlich-rechtliche Situation und der Kontext für die Beschäftigung von älteren Menschen in den HEROES-Projektländern von großer Bedeutung.
Der Vortrag von Birgit Aigner-Walder befasste sich daher mit Fragen wie:
- In welchem Alter erfolgt durchschnittlich der Eintritt in die Pension?
- Gibt es in den Partnerländern Interesse oder wirtschaftliche Notwendigkeit an Erwerbstätigkeit in späteren Lebensjahren?
- Stehen den älteren Menschen zeitliche Ressourcen zur Verfügung? Sind diese auch in der Freiwilligenarbeit aktiv?
- Wie ist es um den Gesundheitszustand älterer Menschen in Österreich, Rumänien und der Schweiz bestellt?
Generell ist festzuhalten, dass Alterung in allen drei Ländern ein großes Thema ist. Es bestehen jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Regulierung der Pensionssysteme, des Pensionsantrittsalters sowie der ökonomischen und gesundheitlichen Situation im Alter.
Ein paar Daten aus den umfassenden statistischen und rechtlichen Analysen des Projektteams seien hier angeführt:
- Die Pensionssysteme aller drei Länder sehen für Männer den Pensionsantritt mit 65 Jahren vor. Das Pensionsantrittsalter für Frauen variiert von (derzeit) 60 Jahren in Österreich, über 63 Jahren in Rumänien zu 64 Jahren in der Schweiz.
- Möglichkeiten zur vorzeitigen Alterspension gibt es am meisten in Österreich, gefolgt von Rumänien. In der Schweiz ist die Möglichkeit vergleichsweise mit höheren finanziellen Abschlägen und zeitlichen Einschränkungen gegeben.
- Hinsichtlich der tatsächlichen Dauer der Erwerbstätigkeit zeigt sich, dass Menschen in der Schweiz deutlich länger erwerbstätig sind als in Österreich und Rumänien.
- Die Gründe für Erwerbstätigkeit in der Pension sind in Österreich und der Schweiz vorwiegend nicht finanzieller Natur, in Rumänien hingegen liegt die wirtschaftliche Notwendigkeit klar vorne.
- Die Gender Pension Gap (relativer Unterschied in der Pensionshöhe zwischen Frauen und Männern) ist bei den über 65-Jährigen in Bezug auf die 3 Länder in Österreich am höchsten, in Rumänien am niedrigsten.
- Die Freiwilligenarbeit von über 65-Jährigen ist in der Schweiz am meisten ausgeprägt (30%), in Rumänien sehr gering (1%), in Österreich bei 21 %.
- Während die informelle Freiwilligenarbeit in der Schweiz in der Altersgruppe 65-74 am höchsten ist und gegenüber den davorliegenden Altersgruppen noch steigt, nimmt sie in Österreich und Rumänien ab.
- Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in der Schweiz mit 83,8 Jahren am höchsten. In Österreich liegt sie bei 81,8 Jahren; in Rumänien bei 75,3 Jahren.
- Bei den gesunden Lebensjahren hat Österreich den geringsten Wert, Rumänien und die Schweiz liegen annähernd gleich darüber. Davon weicht die Selbsteinschätzung in den 3 Ländern ab. Am gesündesten schätzen sich die Schweizer:innen ein. Menschen in Österreich schätzen sich gesünder ein als Menschen in Rumänien.
Bei der Interpretation der statistischen Werte sind historisch-kulturelle und wirtschaftliche Faktoren zu berücksichtigen. Für das HEROES-Projekt ergeben sich aus den Ausführungen einige interessante Punkte.
In Rumänien scheint das Potential für die Beschäftigung von Senior:innen als Reviewer:innen aufgrund des frühen Pensionsantritts und der wirtschaftlichen Notwendigkeit am größten. In der Schweiz stellen sich die Voraussetzungen aufgrund der langen Erwerbstätigkeit und des hohen Niveaus der Freiwilligenarbeit schwieriger dar, könnten jedoch durch die Faktoren Gesundheit, Lebenserwartung und Engagement relativiert werden. In Österreich könnten Frauen eine interessante Zielgruppe darstellen, aufgrund der hohen Gender Pension Gap. Rechtlich gesehen ist ein Dazuverdienen in der Pension in allen drei Ländern möglich, wenngleich steuerliche Unterschiede bestehen. Perspektiven für die Anstellung von Reviewer:innen bestehen daher in allen drei Ländern.
Diskussion
In der anschließenden Diskussion hielt Birgit Aigner-Walder fest, dass die Analyse noch nicht abgeschlossen sei. Es ist geplant, insbesondere die Themen Migration und Pflege in diesem Kontext zu untersuchen. Rumänien steht vor der Situation, dass Pfleger:innen, vorwiegend Frauen, im Ausland (u.a. in Österreich und der Schweiz) ihr Geld verdienen und daheim sowohl im Bereich Pflege als auch Kinderbetreuung große Lücken hinterlassen.
Johannes Oberzaucher erläuterte, dass die informelle Pflegeplattform-Lösung zum Ziel hat, Dienstleistungen möglichst lokal anbieten und abrufen zu können.
Weiter vertieft wurden mit den Forschungskolloquium-Teilnehmer:innen auch die Themenbereiche Gender Pension und Pay Gap, weibliche Altersarmut, gesunde Lebensführung, die Rolle von Teilzeitarbeit, Schwarzarbeit, Einstellungen in der Wirtschaft zur Anstellung älterer Arbeitnehmer:innen, kulturelle Bewertung von Erwerbsarbeit, betriebliche Gesundheitsförderung, Generationenmanagement und vieles mehr.
Ausblick
Das Alternsforschungszentrum IARA stellt in Aussicht, im Jahr 2023 das HEROES-Projekt wieder in einem Forschungskolloquium aufzugreifen und über neue Ergebnisse zu berichten. Aktuelle Informationen finden Sie laufend auf der HEROES-Website: https://heroesproject.eu/
Wenn Sie Interesse haben, über Forschungskolloquium-Termine und andere IARA-Veranstaltungen informiert zu werden, haben Sie die Möglichkeit, sich mit Ihrer Email-Adresse hier in den IARA-Verteiler einzutragen.
Das Alternsforschungszentrum IARA der FH Kärnten lädt Sie ein, am nächsten Online-IARA-Forschungskolloquium am 16. März 2022 teilzunehmen.
Projekt HEROES
Im Zentrum dieses Forschungskolloquiums wird das Projekt HEROES – Home carE woRk fOr rEtireeS stehen. Die FH Kärnten / IARA ist Projektpartnerin in dem stark disziplinübergreifenden und internationalen Projekt unter der Leitung des rumänischen Leads The Care Hub SRL. Ziel ist es, eine Pflegeplattform für informelle Pflege zu schaffen, die Pensionist:innen bei der Auswahl des passenden Pflegeangebots und der Pflegekraft ihres Vertrauens unterstützt.
Das Forschungskolloquium dient der Präsentation und Diskussion von Forschungsergebnissen und Forschungsvorhaben sowie dem fachlichen Austausch. |
Wann | Mittwoch, 16.03.2022, 10-12 Uhr |
Wo | Online-Meeting über MS Teams |
Anmeldung | Bis 15.03.2022, 12 Uhr |
Angemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten rechtzeitig vor dem Forschungskolloquium den Zugangslink zum digitalen Meeting-Room. |
Wenn Sie Einladungen zu IARA-Veranstaltungen gerne regelmäßig per Email erhalten möchten, tragen Sie sich bitte in unseren Verteiler ein. |
PROGRAMM
10:00 | Begrüßung
10:10 | Vortrag
Projekt HEROES: Informelle Pflegeplattform neu gedacht?
Johannes Oberzaucher
10:30 | Vortrag
Erwerbstätigkeit und Freiwilligenarbeit im Alter – Ein Vergleich der Pensionssysteme und des Gesundheitsstatus der Bevölkerung in Österreich, Rumänien und der Schweiz
Birgit Aigner-Walder
11:00 | Diskussion und Austausch
11:45 | Resümee und Abschluss
Moderation: Johannes Oberzaucher
Das IARA-Team freut sich auf Ihre Teilnahme!
Einladung als PDF-Download Mehr zu HEROESThe HEROES project is co-funded by the AAL Programme, the European Commission and national funding agencies of Austria, Romania and Switzerland.